Was ist „Aufblasbar“, was heißt „Feststoff“? Im Folgenden erläutern wir grundsätzliche Unterschiede sowie die Vor- und Nachteile von aufblasbaren Rettungswesten und Feststoffwesten bzw. Schwimmhilfen.
Schwimmhilfen und Rettungswesten werden in den heutigen Euronormen nach ihrer Tragkraft unterschieden, d.h. nach ihrem Auftrieb im Wasser, gemessen in Newton (N). Auftrieb wird durch alle Materialien erzeugt, die leichter sind als Wasser. Zum Auftrieb dienen Werkstoffe wie geschlossenzellige Weichschäume aus Polyvinylchlorid (PVC) oder Polyäthylen (PE), die zusammen als sogenannte Feststoffe bezeichnet werden (bei SECUMAR: SECUMAR SOFT Schaum). Gasförmige Stoffe, also atmosphärische Luft oder andere geeignete Gase wie Kohlendioxyd (CO2 ) oder Stickstoff (N2 ), bilden den aufblasbaren Auftrieb. Dabei hat sich hier CO2 als das problemloseste Gas herausgestellt: ungiftig, unbrennbar und gut lagerbar in Kleinstpressgasflaschen (sog. Ein-Weg-Patronen).
Ein wenig Schwimmphysik
Aus der Schwimmphysik wissen wir, dass bestimmte Mindest-Auftriebsgrößen erforderlich sind, um den Kopf eines im Wasser schwimmenden Menschen zu tragen, ggfs. seinen ganzen Körper zu drehen und in jedem Fall Mund und Nase dauerhaft sicher über der Wasseroberfläche zu halten. Das Drehen bezeichnet man als ‚Drehmoment‘, die Entfernung Mund-Wasseroberfläche nennt man ‚Freibord‘. Dabei spielt die Bekleidung eine wichtige Rolle. Diese Leistung wird für einen unbekleideten erwachsenen Menschen von einem Auftrieb von mind. 100 Newton (N) erreicht (10 N = 1 daN = Deka-Newton entsprechen dem früheren 1 kp). Will man Reserven haben und auf jeden Fall die Drehung des Körpers durch die Rettungsweste bei Ohnmacht sicherstellen (sog. Ohnmachtssicherheit), sind mind. 150 N anzusetzen. Diese Tragkraft durch Feststoffe zu erzeugen hieße, dem Menschen sozusagen einen Klotz an den Hals zu hängen.
Klotz am Hals
Natürlich spielt auch die Form eine Rolle, mit der man den Auftrieb dem Menschen an den Körper legt. Bis zu einem gewissen Grad kann man einen Kompromiss herbeiführen, die Tragkraft zu verringern und trotzdem die Leistung (Drehmoment und Freibord) beizubehalten. Versucht wird das durch Konstruktionen von Brustauftriebskörpern und Kragen im Bereich der 100 N – Kategorie. Der Feststoff begrenzt jedoch diese Konstruktionen, die von einer bestimmten Größe an nicht mehr komfortabel und tragbar sind. Eine vorbeugende Sicherung durch permanentes Tragen ist dann bei Feststoffwesten von etwa 150 N Tragkraft aufwärts nicht mehr möglich, zumindest unzumutbar.
Aufblasbar heißt ‘klein verpackt’
Ausreichenden Auftrieb für die Leistungsanforderungen der 150- und 275-Klasse zu erbringen, ist praktisch nur noch durch aufblasbare Rettungswesten möglich. Deren Schwimmkörper sind unaufgeblasen sehr klein verpackt, können ohne Probleme, und ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken, ständig getragen werden. Eine Aufblasvorrichtung (Hand oder Automatik) sorgt dafür, dass sie jederzeit aktiviert werden können. Die Kombination mit anderen Sicherheitsgeräten, wie z.B. einem Lifebelt, ist einfach und sehr empfehlenswert.
‘Auf Nummer sicher gehen’
Die Alternative ‚Feststoff‘ oder ‚Aufblasbar‘ als besserer Werkstoff für eine Rettungsweste kennt eigentlich keinen Gewinner. Denn jedes Argument gegen den einen Werkstoff ist gleichzeitig ein Pro für den anderen – und umgekehrt. Bei Undichtigkeiten ist der Feststoff immun, er benötigt auch keine regelmäßige Wartung, beim freiwilligen Bad mit der Weste bläst er nicht auf und beim Preisvergleich kommt er oft besser davon. Entscheidend sind jedoch die Einsatzbedingungen: hier hilft die Klassifizierungspflicht nach der neuen Euronorm. Je härter die Bedingungen auf See und beim Wetter, je dicker die Bekleidung und je mehr man „auf Nummer sicher gehen“ möchte, desto häufiger wird die Entscheidung „pro aufblasbar“ sein.