Unmittelbar nachdem man in einem Seenotfall das eigene Überleben mit Rettungswesten und -inseln sicherstellt, muss der zweite Schritt sein, Retter auf die Notlage aufmerksam zu machen. Notlichter und pyrotechnische Signalmittel wirken über kurze Distanz und dienen der Positionierung. Elektronische Notsender können mehr: Sie sind das Mittel der Wahl, um direkt zu alarmieren – sowohl das eigene Schiff, umliegende Schiffe sowie entfernte Helfer. Sie dienen zudem zur Lokalisierung. Allerdings sind mittlerweile verwirrend viele verschiedene Systeme im Angebot.
Hier folgt ein Überblick über die verschiedenen Seenotsender-Systeme:
Digitale Alarmierung über Seefunk (DSC)
An jedem DSC-fähigen Seefunkgerät befindet sich ein Knopf für den Digital Selective Calling (DSC) Distress Alert, zu deutsch: den digitalen Selektivruf Notalarm oder kurz: DSC-Alarm. Wird er ausgelöst, sendet die Anlage die Maritime Mobile Service Identity (MMSI) – Nummer, so dass das Schiff eindeutig zu identifizieren ist, sowie die Position, wenn das Gerät mit dem GPS (Global Positioning System)-Gerät gekoppelt ist.
Empfänger sind in Küstennähe Funkstellen an Land und auf hoher See Schiffe in der Nähe. Die Reichweite ist begrenzt. Beim Senden auf der üblichen UKW-Frequenz 70 (156,525 MHz) entspricht die Reichweite dem quasioptischen Bereich, also in etwa 30 Seemeilen, je nach Höhe der Sende- und Empfangsantennen.
Um solche Geräte zu betreiben, ist in Deutschland ein Funkbetriebszeugnis und die Anmeldung der Anlage bei der Bundesnetzagentur notwendig. Achtung: Das Gerät sendet nur, wenn das Bordstromnetz funktionsfähig ist.
Es gibt inzwischen auch automatische DSC-fähige Seenotsender, die in Rettungswesten integriert werden können. Diese besitzen einen eigenen DSC-Controller und auch eine eigene MMSI-Nummer. Sie funktionieren zumindest initial nur in einem „Closed Loop“, d. h. sie können den DSC-Alarm an eine oder mehrerer, vorher programmierte MMSI-Nummern senden. Diese MMSI sollte bevorzugt die Nummer des eigenen Schiffes sein. Damit ist eine Alarmierung für die eigene Crew möglich. Dieser DSC-Alarm entspricht keinem All-Ships-Call, da er nicht in einem „Open Loop“ gesendet wird.
Automatisch aktivierbare Seenotsender über DSC per „Open Loop“ sind in Deutschland nicht zugelassen. Derzeit existiert nur ein Sender der Marke Weatherdock, welcher nach einer bestimmten Zeit in den Open Loop wechselt, wenn der DSC-Alarm im Closed Loop nicht bestätigt wird.
Vorteile:
- DSC-Alarme sind in der automatischen Rettungskette integriert.
- Das eigene Schiff, umliegende Schiffe und die SEENOTLEITUNG werden über den Notfall automatisch informiert.
- Fehlalarme können mit CLR-Taste zurückgesetzt und dann per Sprechfunk storniert werden.
- Automatische Aktivierung im Closed Loop möglich. MMSI des eigenen Schiffes ist programmierbar und damit kann das Funkgerät des eigenen Schiffes zur Alarmierung genutzt werden.
Nachteil:
- Keine Automatische Aktivierung im „Open Loop“ per „All ships“-Call möglich.
Alarmierung über satellitengestützte Sendesysteme (406 MHz)
Im Erdorbit kreisen Satelliten des COSPAS-SARSAT-Systems, das eigens für Suche und Rettung (Search and Rescue / SAR) aufgebaut wurde. Die Funktionsweise: Wird ein Alarm ausgelöst, strahlen die Sender an Bord oder im Wasser den Ruf samt Identifikation und Positionsangaben über die weltweit einheitliche Notsenderfrequenz 406 Megahertz ab. Der sich über dem Sendegebiet befindliche Satellit nimmt das Signal auf und leitet es an eine der weltweit über 40 Bodenempfangsstationen weiter. Von dort aus werden Rettungskräfte in Marsch gesetzt.
Die Sender werden allgemein als EPIRB, abgekürzt für „emergency position indicating radio beacon“, oder Notfunkbaken der Kategorie I/II bezeichnet. Absender ist hier stets das Schiff, das für die Baken eine Frequenzzuteilungsurkunde erhalten hat – unabhängig von der Zusammensetzung der Crew.
Eine Variante sind die PLB, personenbezogene Satelliten- Seenotfunkbaken. Hier ist der Sender einem ganz bestimmten Menschen zugeordnet, unabhängig davon, auf welchem Schiff er sich befindet. Allerdings ist es nicht möglich, für diese Geräte in Deutschland eine Frequenzzuteilungsurkunde zu erhalten. Interessenten müssten sich im Ausland registrieren lassen.
Beide Gerätearten haben jedoch den Vorteil, dass sie über eine eigene Stromversorgung verfügen.
Bestimmte Notfunkbaken senden nicht (nur) auf der Frequenz 406 MHz, sondern auf 121,5 MHz. Diese Frequenz wird allerdings nicht mehr von den Satelliten abgehört, sondern nur noch von SAR-Kräften, so dass das Signal höchstens noch als Peilsignal für Zielfahrten im Nahbereich taugt.
Vorteil:
- EPIRBs und PLBs sind in die automatische Rettungskette integriert. Sie funken über Satellit ein automatisches Notfunksignal an die SEENOTLEITUNG.
Nachteile:
- Automatische Aktivierung nur bei EPIRBs möglich, nicht bei PLBs.
- Das eigene Schiff und umliegende Schiffe werden nicht direkt informiert.
- Es kann lange dauern, bis das Signal vom PLB über die SEENOTLEITUNG an Retter gelangt und Hilfe zur Stelle ist.
- Fehlalarme können nicht storniert werden und führen stets zu einem Rettungseinsatz, selbst wenn der Sender sich offensichtlich an Land z. B. auf einem Schrottplatz befindet.
Peilsignal-Sender (121,5 MHz)
121,5 MHz ist bei Seenotsendern weltweit am meisten verbreitet, Daher sollte diese Peilsender eine eigene Kategorie werden. Beispiele gibt es zuhauf. RHOTHETA, SEA MARSHALL usw.
Insbesondere in geschlossenen Systemen sinnvoll. D. h. ein Schiff hat die Peilvorrichtungen an Bord, auf Baustellen, Anlegern oder ä. sind entsprechende Peiler vorhanden, die sofort Alarm schlagen.
Die DGzRS setzt diese Sender von RHOTHETA standardmäßig in ihren Westen ein. Alle Seenotkreuzer sowie SAR-Hubschrauber haben Peiler an Bord. Hier gilt: Je höher die Sendeleistung und je höher die Empfangsantenne, desto höher die Reichweite. Ein Hubschreiber kann einen 2 W starken Sender von Rhothetha in einer Rettungsweste über 50 nm peilen.
Vorteile:
- Mit einer entsprechenden Empfangseinrichtung wird das eigene Schiff alarmiert und die Lokalisierung ist möglich.
- Fehlalarme sind unkritisch.
Nachteile:
- Diese Sender sind nicht in die automatische Rettungskette integriert.
- Umliegende Schiffe und die SEENOTLEITUNG werden nicht automatisch informiert.
Alarmierung über AIS
Das Automatic Identification System (AIS) hat sich in der Berufsschifffahrt seit 2004 bewährt. Schiffe mit einer BRZ von mehr als 300 sind mit einem „Klasse-A-Transceiver“ ausgerüstet, der in kurzen Abständen Schiffsnamen, MMSI-Nummer, Schiffstyp und unter anderem Angaben über Position und Kurs auf den Frequenzen AIS 1 (161,975 MHz) und AIS 2 (162,025 MHz) funkt. Von anderen Schiffen, SAR-Fahrzeugen und Stationen an Land werden die Signale empfangen und auf dem Radarbild und/oder der elektronischen Seekarte als kleines Dreiecks-Symbol dargestellt. Derzeit laufen Überlegungen, das System auch in der professionellen Binnenschifffahrt einzuführen
Das AIS-System wird zunehmend auch von Sportschiffen genutzt, wobei weniger leistungsstarke „Klasse-B-Transceiver“ zum Einsatz kommen.
Für Rettungswesten und Rettungsboote existieren AIS-Seenotsender und AIS S.A.R.Ts. Im Seenotfall wird das Signal so verändert, dass auf den Bildschirmen der Empfänger statt des Dreiecks ein Kreis mit Kreuz erscheint und so auf den Notfall aufmerksam gemacht wird. Einige Systeme können in diesem Fall zudem ein akustisches Signal abgeben.
Die Vorteile dieses Systems liegen darin, dass zum einen jedes größere Seeschiff die Signale empfangen muss und reagieren kann. Zum anderen können AIS-Sender mittlerweile in so kleinen Formaten gebaut werden, dass sie auch als persönliche Ausstattung geeignet sind und beispielsweise in Rettungswesten integriert werden können.
Vorteile:
- Automatische Aktivierung möglich.
- Wenn ein AIS-Empfänger vorhanden ist, sind keine aufwändigen Nachrüstungen an Bord nötig.
- Eigenes Schiff und umliegende Schiffe werden bei entspr. Konfiguration über Plotter alarmiert.
- Lokalisierung ist für eigenes Schiff und umliegende Schiffe möglich.
Nachteile:
- Diese Sender sind nicht in die automatische Rettungskette integriert.
- Umliegende Schiffe und die SEENOTLEITUNG werden nicht automatisch informiert.
Peilsignal-Sender Radar-SART
Dieser Sender wird erst aktiv, sobald er von einem Radarstrahl getroffen wird. Dann sendet der „Search an Rescue Transponder“ (SART) Signale, die auf den Radarschirmen der Schiffe auftauchen und Richtung und Entfernung zum Havaristen anzeigen, so dass er angesteuert werden kann. Der Nachteil dieser Technik besteht darin, dass die Auslösung per Radar erfolgen muss – die aktive Alarmierung von Rettern hingegen über andere Funksender.
Integration von Seenotsendern in Rettungswesten
Bei der Integration von Seenotsendern in Rettungswesten sind mehrere Klippen zu umschiffen.
Ein wesentlicher Grund für große Vorsicht bei der Ergänzung einer Rettungsweste um einen Seenotsender besteht darin, dass es sich bei der Weste um ein System handelt, dessen Komponenten genau aufeinander abgestimmt sind. Die Rettungsweste ist von den Behörden in genau der Weise zugelassen, wie sie angeboten wird. Ihre Funktionen können bei einem unsachgemäßen Sender-Anbau gestört werden. Dadurch erlöschen die amtliche Zulassungen.
Es gibt verschiedene potenzielle Fehlerquellen. So sind beispielsweise die Antennen einiger Geräte scharfkantig. Wird so ein Sender in die Hülle eingelegt und scheuert die Antenne am Schwimmkörper, kann sie ihn zerstören und die Rettungsweste somit komplett funktionsuntüchtig machen. Bei anderen Geräten wiederum kann es Probleme mit der Entfaltung der Antenne geben, sobald die Rettungsweste aufgeblasen wird. Wieder andere Geräte sind am Mundschlauch der Rettungsweste zu montieren, was dessen Funktion beeinträchtigen kann.
Es muss sichergestellt werden, dass sich beide Geräte in ihrer Funktion nicht beeinträchtigen.
Weitere Information
Weiterführende Informationen zur Integration von Seenotsendern in Rettungswesten finden Sie hier:
- Fachgerechte Integration von Seenotsendern
- Sicherheitshinweis: Nicht jeder Seenotsender passt in jede Rettungsweste